Dienstag, 10. April 2007

Little Tibet

Es sieht so aus, als verkuerzte sich die Frequenz meiner Eintraege mit dem nahenden Ende der Reise. Vielleicht haengt das aber auch mit der Verfuegbarkeit von Internet-Cafes (sprachlich doch witzig, dass die noch so heissen, obwohl die wenigsten Getraenke servieren und die Originale die vielleicht ersten Opfer des Internet-Booms waren) und der dadurch von einem Ort indirekt nahegelegten Beschaeftigungsangebote zusammen. In diesem Falle waere meine Schreibwut hier nur adaequat...

Eine eigentlich unbeschreibliche, wenn aber doch, dann am ehesten halsbrecherisch zu nennende Busfahrt brachte mich gestern ins naechste Tal: 40km Luftlinie und 160km Wegstrecke entfernt. Der anscheinend lebensmuede Fahrer begeisterte u.a. mit Ueberholmanoevern von PKWs auf schmaler Holperstrecke bei gefuehlten 2cm Abstand zur 100m tiefen Schlucht (Leitplanken sind doch was fuer Bergaufbremser!). Gluecklicherweise habe ich einen grossen Teil der Strecke vor mich hin gedeost oder geschlafen. Dass der Busfahrer bei laengeren Stops im Halbstundentakt mit unidentifizierbaren Werkzeug unter den Bus krabbelte und unsichtbar kopfschuettelnd wieder hervorkam, erhoehte das Vertrauen auf ein sicheres Ankommen nicht gerade, aber wie so haeufig, sind wir Zivilisationsverweohnte einfach zu empfindlich. Selbstverstaendlich bin ich heil in McLeod Ganj angekommen, einem Bergort, der aber ausser der geographischen Lage mit Dalhousie rein gar nichts gemein hat.

McLeodGanj war ein verschlafenes Nest, bis 1960 dem Dalai Lama auf der Flucht vor den chinesischen Besatzern (nach Ueberquerung des Himalaya zu Fuss!) hier Asyl gewaehrt wurde. Es folgte eine stetiger Fluss tibetischer Fluechtlinge und ein paar Jahe spaeter ein noch stetigerer Touristenstrom. So scheint der Ort nach meinem ersten Eindruck ausschliesslich aus Hotels, Restaurants, Reisebueros, Souvenirgeschaeften, Shops mit Mars-Riegeln und Nivea-Cremes, Yoga-Schulen, Videohallen (!!) und Internet-Cafes zu bestehen. Die vermeintliche verschlafenen Bergdoerfer, die ich dem ganzen Tumult entfliehend auf meiner heutigen Wanderung in die Umgebung zu erkunden trachtete, entpuppten sich als verwechselbare Kopien des Hauptortes im Kleinformat. Nicht dass ich dies alles verdammte, schliesslich nutze ich diese Infrastruktur auch gebuehrend (siehe Anfang), aber in dieser puren Touri-Hochburg-Form habe ich das bisher in Indien nicht erlebt und war gerade nach den Tagen in Amritsar und Dalhousie spontan etwas abgestossen. Was das ganze am Ende aber doch ertraeglich und besonders macht, ist neben der malerischen Umgebung das Tibet-Flair: buddhistische Tempel (die Weltreligion fehlte mir noch auf der Reise!), kahlrasierte Moenche in ihren gelben und roten Gewaendern sowie eine sehr freundliche, unaufdringliche Atmosphaere - ganz so wie es der eigenen romantisch-rudimentaeren Tibet-Vorstellung entspricht.

Die Unmengen Westler, die sich hierher einfinden, kann man in drei Gruppen einordnen. Die Durchgeknallten, die Weltverbesserer und die Gaffer. Oder etwas weniger im BILD-Stil formuliert: erstens meist an ihrer gewollt oestlichen Kleidung oder ihrem Habitus zu Erkennende Langzeit-Urlauber oder Aussteiger, die sich hier im Gefolge des geistigen Oberhauptes der Tibeter im Meditieren oder Yoga lernen ueben; zweitens junge politische oder soziale Idealisten, die tibetischen Fluechtlingen helfen oder auf welche Art auch immer die Unabhaengigkeitsbewegung unterstuetzen; und drittens Menschen aller Altersgruppen und Nationalitaeten, die nicht so richtig wissen, was sie hier sollen, aber die ganze Tibet-Action (Zitat Lonely Planet) mal aus der Naehe gesehen haben wollen. Zu letzteren darf ich mich wohl zaehlen, habe den Abstecher auch nicht bereut und werde mich doch morgen Abend, ohne zu bedauern, hier keinen Langzeitaufenthalt eingeplant zu haben, auf den Rueckweg nach Delhi begeben.

1 Kommentar:

C hat gesagt…

Sag bloß die schönen Reisebeschreibungen werden bald versiegen.... schade anundfürsich :( Immerhin kannst du in Zukunft erzählen, du "blicktest schon mit weit aufgerissenen Augen in den tiefen Abgrund..." :-)