Montag, 9. April 2007

Zwei indische Stunden

Der zweite Eindruck des Bergortes Dalhousie bestaetigte den ersten: ein allgemein erreichbarkeits- und speziell nebensaisonbedingtes ruhiges Plaetzchen mit europaeischem Klima, das mich des Abends erstmals auf meiner Reise zum Ueberwerfen saemtlicher Schichten zwang und die erste warme Dusche seit vier Wochen geniessen liess. Dazu Kurortatmosphaere durch kleine Pavillons am Strassenrand und eher gesetzte Klientel, Sauberkeit dank funktionierender Muellentsorgung und eine wunderschoene Umgebung. An zwei Tagen habe ich wandernd ebendiese erkundet. Am ersten Tag war ich mit dem sehr netten Boy des Hotels (und gleichzeitigem Trekking Guide) namens Ganesh unterwegs. Wir sind immerhin 25km durch die Natur gestapft, was mir dem Wandern fast Entwoehnter weniger ausgemacht hat als ich gedacht haette.

Die Tour war einmal mehr nicht nur ein landschaftlich-naturgeniesserisches, sondern auch ein interkulturelles Erlebnis. Zum einen ist es beeindruckend, wie selbstverstaendlich wir die Segnungen der Zivilisation nutzen bzw. sie geradewegs unentbehrlich finden. Waehrend ich mich mit den mir am notwendigsten erscheinenden Dingen auf den Weg begab (Mittagsimbiss, 2l Wasser, Pulli, Sonnencreme, Kamera usw.), hatte Ganesh schlicht gar nichts dabei und hat den ganzen Tag ausser einem widerwillig angenommenen Keks auch nichts gegessen. Ja, das geht.

Zum anderen meinte Ganesh am Nachmittag mit schon einigen Kilometern in den Beinen, wir koennten, bevor wir uns auf den Rueckweg begaeben, schnell noch einen kleinen Abstecher zu einem sehenswerten Fleckchen Erde namens "Mini Switzerland" machen. Der laege zwar 12km gewundene Serpentinenstrasse entfernt, aber die Abkuerzung zu Fuss waeren sicher nur 4 oder 5. Zur Sicherheit fragte er noch einen Ranger des Naturparkes, der zwar die Entfernungsangabe nicht bestaetigen konnte, aber meinte, wir waeren sicher in 2 Stunden am Ziel. Da wir nach 1h einen falschen Abzweig (Karten oder Wegweiser gibts natuerlich nicht, nur Orientierungssinn und Glueck) nahmen, landeten wir aber nicht in der Schweiz, sondern 1 1/2h spaeter wieder am Ausgangspunkt des Abstechers und erreichten die Stadt in der Daemmerung. Zum Glueck!

Am naechsten Tag hatte ich naemlich beschlossen, nur eine kleinere Tour zu unternehmen und eben jenen 2h-Abstecher mit genuegend zeitlichen Spielraum in der Hinterhand auszuprobieren. Ein unglaublicherweise 10min zu frueh gefahrener Bus verlaengerte meine Tour erst einmal um 8km. Der eigentliche Weg stellte sich als durch wunderbar abgelegene Taeler fuehrender Pfad heraus, der mich, ohne einer anderen Menschenseele zu begegnen, nach nur 4 Stunden strammen Marsches und geschaetzten 15km ans Ziel fuehrte. So viel zu akkuraten Zeit- und Entfernungsangaben. Mit gewissen Differenzen kann ich ja leben. Aber manchmal kann man nicht wie in diesem Fall in den unfreiwilligen Ueberstunden die Natur geniessen und die Konsequenzen koennen gravierender sein als 10EUR weniger in der Tasche fuer ein Taxi wegen des verpassten letzten Busses zurueck. Mein Versuch, eine Mitfahrgelegenheit zu finden, scheiterte naemlich; nicht an der Ignoranz der Inder, ganz im Gegenteil, die hupen wie wild, jeder zweite haelt freundlich an und laechelt in den Tag hinein, aber die Autos waren ausnahmslos schlicht voll. Indien eben. Beim Ziel der Wanderung handelte es sich uebrigens um eine schoene, grosse, saftige Wiese, umgeben von Zedernwald und mit Bergpanorama im Hintergrund - von den Indern, offenbar in einem seltenen Anfall falscher Bescheidenheit, Mini-Schweiz getauft.

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