Freitag, 30. März 2007

Robert - allein in Goa

Nach vier Wochen klassischem Herumgereise bin ich am vergangenen Montag in Goa eingetroffen, vielleicht der Inbegriff des indischen Strand- und Partyparadieses, das ich einfach als das indische Mallorca bezeichnen wuerde. Abgesehen von einigen typischen organisatorisch-zivilisatorischen Unzulaenglichkeiten und der Mehrzahl der Bewohner scheint Goa mit Indien nicht viel zu tun zu haben. Zum einen war es bis 1961 portugiesische Kolonie (dann hat es die indische Armee besetzt - aber weder im fernen Lissabon noch vor Ort hat das wirklich jemanden interessiert), so dass es einige kulturelle Ueberbleibsel gibt, so z.B. Old Goa mit drei, vier grossen Kirchen und einem Dutzen Kirchruinen dazu, die zwischen einer klassischen indischen Kleinstadt mit Blechhuetten und Marktstaenden etwas fremd wirken, oder eine niedrige Steuer auf Alkohol. Zum anderen sind die Traumstraende touristisch inzwischen durchgehend erschlossen - zum Teil mit Ballermann-Partyparadiesen, zum Teil mit riesigen Club-Med-Resorts.

Ich habe mir ein insgesamt noch nettes und nicht besonders ueberlaufenes Fleckchen namens Colva herausgesucht. Hierhin verschlaegt es vor allem indische Familien und klassische Pauschaltouristen aus Grossbritannien und Russland, die tagsueber die Strandliegen und abends die Hotelbar belagern. Entsprechend komme ich mir etwas fremd und mit meinen enormen vier Wochen Indienerfahrung (...) sowie dem LP-Survival Guide in der Hinterhand gleichzeitig irgendwie distingiert vor. Das wurde auch schon am Flughafen deutlich, wo ich als einziger aus einer Maschine voller indischer und nichtindischer Touristen selbstverstaendlich in den oertlichen Bus stieg, um an meinen Zielort zu gelangen - nach den routinemaessigen Maehrfacherkundigungen und mit dem ueblichen Stueck Restunsicherheit behaftet, ob ich denn wohl im richtigen gelandet sei. Mit dem Bus kommt man hier uebrigens wunderbar voran. Sie sind zwar wie immer uralte Gefaerte und man weiss nie vorher, ob man nun wirklich im richtigen sitzt, aber sie fahren, auch im Vergleich mit einer vergleichbaren mitteleuropaeischen Gegend, dermassen oft und zahlreich, dass man relativ zuverlaessig vorankommt.

Fuer vier Tage Ausspannen finde ich es hier jedenfalls ganz Klasse. Das Klima ist ertraeglich (Temperatur perfekte 30Grad, Luftfeuchte unangenehm, aber am Strand mit Lueftchen oder im Restaurant mit Ventilator gut auszuhalten) und das Hotel, was ich mir goenne, gute indische Mittelklasse mit Pool. Ich esse jeden Abend Seafood mit Blick aufs Meer (wo sonst bekommt man Riesengarnelen so frisch und guenstig?), trinke ein kuehles Bier dazu, bekomme die Suedfruechte quasi direkt vom Baum gepflueckt und schluerfe gern mal eine frisch angeschnittene Kokosnuss aus (Maria&Clara: das schmeckt ueberhaupt nicht nach typisch Kokos, das Fruchtfleisch auch nicht, wahrscheinlich machts erst die etwas angetrocknete Mischung). Die letzten Tage waren nun die ersten des Urlaubs, an denen ich quasi inaktiv war, also nicht herumgereist bin oder irgendein touristisches Programm absolviert habe.

Mit dem gefuehlten Nichtstun - schattige Liege am Pool mit ausreichend Literatur dabei hin oder her - reicht es mir aber auch schon wieder. Erstens kann ich mir grundsaetzlich nicht vorstellen, meinen ganzen Urlaub so zu verbringen wie die meisten mich Umgebenden hier und zweitens habe ich das Gefuehl, die wenigen Wochen, die mir in Indien bleiben, intensiver nutzen zu muessen. Rumliegen kann ich ja auch zu Hause, oder zumindest in Mallorca. Also gehts morgen weiter nach Mumbai, wo ich mich auf die wohlpraeparierten Spuren (Danke!) von Maria und Clara begeben werde.

Von verschiedener Seite kam die Frage auf, ob ich mich allein in diesem grossen Land nicht schrecklich einsam fuehlte. Der Tag nach der Abreise der Maedels war schon etwas seltsam - ploetzlich im Hotelzimmer allein aufzuwachen oder abends keine zwei weiteren Essen probieren zu konnen :-( Die dreieinhalb gemeinsamen Wochen schienen ploetzlich so weit weg. Fuer mich begann die Reise quasi von vorn. Dennoch fuehlte ich mich schnell wieder, wenn auch auf andere Art, pudelwohl. Erstens bin ich ja von jeher ein Typ, der nicht staendig Gesellschaft um sich braucht, der auch gern einfach mal fuer sich ist, um ueber Gott und die Welt nachzugruebeln. Sicher zu wissen (sicher in Indien?, naja, zumindest glaube ich dran), dass es fuer eine beschraenkte Zeit ist, machts noch leichter und laesst es mich geradezu geniessen. Zweitens ermoeglicht das Alleinsein mehr Unabhaengigkeit. Nicht, dass ich mich vorher eingeengt gefuhlt haette, aber es ist eben doch was anderes, wenn man allein entscheiden kann - da ich bisher nicht Shoppen war, habe ich die negativen Seiten des Alleinentscheidens noch nicht gespuert... Drittens fuehle ich mich irgendwie mehr wirklich in Indien als vorher, weil mir sozusagen der staendige kulturelle Kontakt zur Heimat in Form zweier reizender Reisebegleiterinnen abhanden gekommen ist und man beim Warten auf Busse, das Essen oder Herumfahren etc. allein mehr in sich ruht und einfach nur die Umgebung beobachtet als in einer Gruppe. Sicherlich spielt dabei aber auch eine Rolle, dass man nach ueber vier Wochen ohnhin in vielem ruhiger wird und einem das indische Leben langsam vertraut vorkommt. Zum vierten bin ich selten wirklich allein (am ehesten noch hier, weil ich keine besondere Lust habe, mit den Touris anzubaendeln). Der telefonische&elektronische Kontakt zur Allerliebsten (und den Naechst-Allerliebsten) hilft mir sehr dabei, mich ueberhaupt nicht einsam zu fuehlen. Viel haerter als allein zu reisen waere es wohl, nach Hause zurueckzukehren und dort allein zu sein. Und schliesslich finden sich regelmaessig Gelegenheiten, fuer ein paar Minuten oder auch laengere Zeit mit anderen Travellern ins Gespraech zu kommen. In Ooty habe ich beispielsweise einen Tag mit vier netten Briten verbracht und mit einem auch das Zimmer geteilt. Kurzum, niemand muss sich Sorgen darum machen, dass ich vereinsame oder meine sprachlichen Faehigkeiten schrittweise verkuemmern.

Dienstag, 27. März 2007

Lingua franca ?

Ein kuerzliches Telefongespraech zwischen einem netten Hotelangestellten und mir, so unverfaelscht wie moeglich aus dem Gedaechtnis wiedergegeben:

R: Ich wuerde gern ein Zimmer reservieren.
H: OK, Einzel- oder Doppelzimmer?
R: Einzelzimmer bitte.
H: Tut mir leid, wir haben nur Doppelzimmer.
R: Aha. Na gut. Haben Sie ein Zimmer fuer morgen Abend?
H: Jaja, kein Problem. Ok. Ok.
R: Ich muss am naechsten Morgen sehr frueh abreisen, so gegen fuenf. Ist das moeglich?
H: Ok, ok, kein Problem, ok.
R: Was kostet das Zimmer?
H: Ok, ok, ok. Kein Problem.
R: Ich meine, wie teuer ist denn das Zimmer, wie viel muss ich bezahlen?
H: Jaja, OK. Sie bezahlen hier.Ok, ok, ok.
R: Nein, das ist nicht OK. Ich habe gefragt: w-i-e v-i-e-l kostet das Zimmer?!
H: Ja, ja. Ok. 180 Rupien, Ok, ok.
R: Gut, brauchen Sie nicht noch Namen oder irgendwas von mir.
H: Ok, ok. Woher kommen Sie?
R: Aus Deutschland.
H: Ok, ok, ok, kein Problem.
R: Und mein Name ist - klick -

Bleibt noch hinzuzufuegen, dass von der Reservierung am naechsten Abend natuerlich niemand etwas wusste, aber das Hotel trotzdem noch ein Zimmer frei hatte...

Sonntag, 25. März 2007

Der Berg ruft

Um dem im Sommer fuer die europaeische Konstitution nur schwer ertraeglichen indischen Klima zu entfliehen, kamen die englischen Kolonisatoren seinerzeit auf die glorreiche Idee der "Hill Stations" - Orte in den Bergen, die aehnlich den Retorten-Skistationen in den Alpen aus rein touristischen bzw. Wohlfuehlmotiven ausgebaut wurden. Ich habe mich nun, ebenfalls etwas Abkuehlung suchend, auf die Spuren der Gentlemen begeben und dafuer die beliebteste Hill Station Suedindiens ausgesucht (die bekannteste ueberhaupt ist wahrscheinlich Darjeeling in Nordostindien), welche den klangvollen Namen Udagamandalam traegt, aber zur Vereinfachung (auch auf Strassenschildern etc) nur Oooty genannt wird. Der Ort liegt immerhin auf 2200m Hoehe - allerdings nicht in einer alpinen Hochgebirgslandschaft, sondern einem eher unserer Heimat aehnelnden huegeligen Umgebung mit einigen Waeldern und viel Grasland. Die Hoehe bedingt ein sehr angenehmes Klima. Die Temperaturen gehen nie unter Null und nie ueber 30 Grad, zurzeit war es nach mitteleuropaeischen Massstab spaetsommerlich - gerade so, dass man im Schatten nicht friert und man sich abends etwas ueberziehen muss. Fuer die Inder ist das natuerlich erbaermlich kalt, so dass die Hauptsaison in Ooty erst im April beginnt. Fuer die Inder sind die Hill Stations heute beliebte Hochzeits-Reise-Ziele - so erklaert sich auch eine, mir anfangs voellig schleierhafte, unglaubliche Ansammlung an Blumen- und Juwelierlaeden vor Ort. Wahrscheinlich muss der Liebe in den zahlreichen arrangierten Ehen anfangs etwas auf die Spruenge geholfen werden...

Ich habe den Aufenthalt mangels Wunsch-Ehepartnerin fuer eine Wanderung und einige Spaziergaenge durch die Umgebung genutzt. Schnell bemerkte ich dabei einen wesentlichen Unterschied zum gefuehlten europaeischen Spaetsommer: naemlich die Sonne, welche zwischen 10 und 16 Uhr praktisch senkrecht vom Himmel brennt. Verstaerkt durch die Hoehenlage, konnte 4x taeglich LSF 20 eine Verfaerbung von haselnussbraun in indianerrotbraun nicht verhindern. Dafuer brauche ich jetzt nach erfolgtem Uebergang ins Kakaobraun im Flachland ueberhaupt keinen kuenstlichen Schutz mehr.

Der Ort Ooty hat sich zwar inzwischen zu einer typischen indischen Stadt entwickelt, laesst aber in einigem noch den Charme vergangener Zeiten verspueren. So gibt es elegante viktorianische Bungalows, abgetrennte Buergersteige (in Indien sonst nie gesehen!), eine ausgewachsene Pferderennbahn, einen kuenstlichen See, eine leicht geschrumpfte Westminster Abbey, einige renommierte Privatschulen und einen wunderbaren Botanischen Garten. Dieser wartet mit zahlreichen exoptischsten Baumarten auf (in dem Klima waechst ja auch fast alles) und ist darueber hinaus eher Volkspark sowie Hochzeitsfotohintergrund, gehoert vor allem aber zum geflegtesten und saubersten, was ich in Indien bisher (und ueberhaupt!) gesehen habe.

Das beste an Ooty ist aber wahrscheinlich die Anreise. Mit dem Ziel maximaler Bequemlichkeit haben die Englaender mit eidgenoessich-technischer Unterstuetzung eine 45 km lange Schmalspurbahn verlegt. Eine gute, alte Dampflokomotive schiebt in 5h, teilweise in Quasi-Schrittgeschwindigkeit, den Blue Mountain Train den Berg hinauf und ueberwindet dabei beachtliche 1800 Hoehenmeter. Als waere das nicht schon abenteuerlich genug, werden - zumindest war das auf meiner Fahrt so - gern noch einige Ereigniskarten gezogen. So wurde der Zug von einem (wilden) Elefanten aufgehalten, der erst nach mehrmaligen Tuten sowie Vor-und Zurueckrollen vom Verlassen der Gleise ueberzeugt werden konnte. Einige Minuten spaeter brachte Rauchentwicklung auf einer Bruecke den Zug zum Stehen. Offenbar hatte ein Buschfeuer die Eisenbahnschwellen in Brand gesetzt. Nun, nichts leichter als das. Die indischen Zugbegleiter loeschten das Ganze mit ein paar Wassereimern und zogen auch noch eine neue Holzbohle aus dem Aermel, die dann vor unseren erstaunten Augen in die Strecke eingesetzt wurde. Solche Reparaturen scheinen, nach der fuer indische Verhaeltnisse ziemlich unaufgeregten Problem- Loesung und der trotzdem nach fahrplanmaessigen Ankunft zu urteilen, reine Routine zu sein.

Die Rueckfahrt ins Flachland stellte dann wieder eine indien-typische Erfahrung dar. Aus 3 Stunden Busfahrt wurden 5 1/2h, nicht aber wegen unvorgesehener Zwischenfaelle, sondern weil der wohlinformierte Angestellte des privaten Busbueros wieder einmal ein sehr weit gedehntes Verstaendnis von Aufrichtigkeit hatte sowie der Busfahrer vor der Abfahrt noch einige Freunde an das andere Ende der Stadt bringen zu muessen glaubte. Dies ist einer der kulturellen Differenzen, mit denen ich am wenigsten klarkomme. Mit zweieinhalb Stunden Verspaetung habe ich kein grosses Problem. Erstens bin ich selbst selten puenktlich, zweitens in Indien und drittens im Urlaub, aber ich erwarte instinktiv, dass man mich so weit moeglich darueber informiert. Man kann den Indern nun schwerlich Verlogenheit oder Gaunerei vorwerfen, denn im Prinzip ist ja in etwa immer alles fast so aehnlich wie sie es sagen. Die Inder wachsen damit auf und finden das auch voellig normal. Aber sie machen sich das Leben damit auch selbst schwer, weil sie sich aufeinander bzw. auf Verlautbarungen aller Art kaum verlassen koennen und so regelmaessig Zeit mit Warten und planlosem Rumsitzen verbringen.

Die Fahrt an sich war wiederum ein Highlight. Sie fuehrte eine mit Haarnadelkurven gespickte Strasse steil den Berg hinunter, die fuer normale Busse und LKWs gesperrt ist - und das in Indien, wo sich um so was sonst ueberhaupt keiner schert - das sagt schon einiges. Fein durch nummerierte Serpentinen qualifizierten die Strasse dann endgueltig zu einer Alpe-d'Huez-Alternative (Sorry Outsider). Den heutigen Tag habe ich in Mysore vrbracht, einer netten Provinzstadt (also nur so um die 800.000 Einwohner), deren Hauptattraktion ein um 1900 gebauter Maharadschapalast darstellt - eine fuer den Verstand unertraegliche, fuer die Augen aber doch ganz nette Mischung aus Tausendundeiner Nacht, Jugendstil und Hollywood. Morgen gehts dann zurueck an die Kueste in das indische Ur-Strandparadies Goa.

Ein Tag im Leben eines Indien-Reisebudgets

1 Fruehstueck mit frischem Obst und echtem Kaffee (ist hier sehr selten, gibt fast nur Kruemelkaffee) im Touristen-Bio-Cafe
1 Mittagessen im indischen Schnellrestaurant inkl. Getraenk und Eiskaffee
1 selbst zusammengekaufter Verpflegungsbeutel mit Obst und gefuellten Teigtaschen
1h Internet
1 Eintritt in alten Palast
2 Rikschafahrten a 10min
1 Faehrueberfahrt a 30min
1 Zugfahrt 1.Klasse a 4h
1 Uebernachtung im Billig-Hotel

Macht 15EUR, davon uebrigens fast die Haelfte fuer die Zugfahrt.
Mit sage und schreibe 4Cent schlug der Eintritt zu Buche. Dafuer gab es dann auch zwei Kassierer und 5 Meter weiter einen Kartenabreisser.

Allerdings war das auch ein verhaeltnismaessig billiger Tag, man kann natuerlich auch weitaus fuerstlicher leben bzw. hat manchmal bei Eintrittspreisen oder verfuegbaren Hotelzimmern auch kaum eine Wahl. Die Spreizung ist jedenfalls enorm. So kostet die Zugfahrt in die Berge (naechster Eintrag) 2.Klasse 20Cent, 1.Klasse 3EUR. Fuer ein vollwertiges Essen habe ich - wohlgemerkt in der selben Stadt und ohne wirkliche Luxusschuppen aufzusuchen bzw. am Stand auf der Strasse zu kaufen - einmal 60Cent und einmal 8EUR bezahlt.

Montag, 19. März 2007

Zu Land, Wasser und in der Luft

Nach unserer kleinen Nordindien-Rundreise haben wir uns vor mittlerweile eineinhalb Wochen gen Sueden begeben. Statt einer 36stuendigen Zugfahrt hatten wir uns fuer den Flug mit einer indischen Billigairline entschieden und benoetigten von Jaipur nach Chennai (frueher Madras) einschliesslich Transfer, Wartezeit und Zwischenlandung so gerade einmal 5h. Das Fliegen stellte sich als eine sehr angenehme Fortbewegungsart heraus. Erstens sind die Flughaefen hier (noch) ueberschaubar, so dass man nicht Stunden auf Laufbaendern oder an Sicherheitskontrollen verliert, zweitens war der Service hervorragend (Hilfe beim Check-in, puenktlicher Flug, Wasser&Kekse im Flugzeug) und drittens fuehlten wir uns an Flughafen und im Airbus in einer seltsamerweise angenehm gewohnten Umgebung. Zumindest war sie weniger laut und schmutzig als die indische Grossstadt und wir mussten uns nicht im 30-Sekunden-Takt den Avancen geschaeftstuechtiger Inder erwehren.

Von Chennai fuhren wir direkt weiter nach Mamallapuram, einem sehr auf (europaeische) Touristen ausgerichteten Badeort, der allerdings auch mit Unesco-Welterbe-Tempeln und Felsenreliefs glaenzt. Dabei haben wir uns endlich einmal mit den beruechtigten indischen Bussen fortbewegt. Diese sind fast immer ueberfuellt, stammen vermutlich noch aus der Kolonialzeit und rasen wie die Henker ueber die Landstrassen - zumindest hat man beim Mitfahren diesen Eindruck, denn Strassenqualitaet, Zwischenhalte und Stadtduchfahrten lassen die Reisegeschwindigekit dennoch selten ueber 40km/h ansteigen. Meistens haben sie keine Fenster, was das Reisen zum einen ueberhaupt erst ertraeglich macht, zum anderen aber dazu fuehrt, dass man natuerlich trotzdem schwitzt und an den Kunstledersitzen klebt, sich gleichzeitig aber vor Zugluft und Halsschmerz schuetzen muss. Dennoch kommt man ganz gut und zuverlaessig von A nach B, gerade auf kuerzeren Strecken oder wenn man sich nicht rechtzeitig fuer einen Zg entscheiden konnte/wollte.

Ein besonderes Highlight a la Indien ist die Fahrplanlogistik. Busse haben zwar prinzipiell eine Abfahrtszeit, aber die stellt natuerlich nur einen groben Richtwert dar. Stuendliche Busse fahren theoretisch immer zur vollen Stunde, zweistuendliche i.d.R. ab 7Uhr plus x mal 2h usw. Tatseachlich faehrt der Bus ab, wenn er voll ist, dreht notfalls noch noch ein paar Runden um den Block und fragt die am Wegesrand Stehenden, ob sie nicht zufaellig auch nach B wollen. Entsprechend chaotisch sind die Busbahnhoefe. Da kurven staendig Busse kreuz und quer herum, machen den Motor aus und wieder an und fahren irgendwann doch ab. Die Bschriftungen sind meist nur in Hindi, so dass man sich durch Herumfragen zum richtigen Bus vorkaempft und dabei selbstverstaendlich auch mal von verschiedenen Angestellten der staatlichen Busgesellschaft gegenteilige Aukuenfte bekommt. Wir sind bisher immer ans Ziel gelangt, wichtig sind wie immer viel Geduld und nichts fuer bare Muenze nehmen, also mehrmaliges Nachfragen. Das gilt ebenso fuer Fahrzeiten. So mussten wir letzte Woche eines Morgens in die naechste groessere Stadt zum Bahnhof, nach Auskunft des Reisefuehrers, des Fahrkartenverkaeufers und eines Busfahrers sollte die Fahrt eine Stunde dauern. Nach knapp eineinhalb waren wir am Bahnhof und bestiegen gluecklich den um 15min verspaeteten Zug ...

Von Mamallapuram ging es weiter suedlich am Meer nach Pondicherry, einer herrlichen Kleinstadt und einstigen franzoesischen Kolonie, die sich als langjaehrige Enklave einiges von ihrem Kolonial-Flair bewahrt hat. Die Stadt wirkt, als sei sie von heute auf morgen von den Kolonialherren verlassen und von Indern uebernommen worden, die noch nicht so richtig was mit ihr anzufangen wissen. Die Strassen heissen "Rues" und sind schachbrettartig angeordnet, die Speisekarten voller franzoesischer Gerichte und Kuehe sucht man in den Strassen vergebens. Allerdings erinnerten uns die klimatischen Verhaeltnisse daran, dass wir weit im indischen Sueden sind. Waehrend es sich im Norden bei knapp 30Grad und deutlich kuehleren Naechten ganz gut leben liess, fanden wir schwuele 33 Grad bei nur unwesentlicher naechtlicher Abkuehlung auf Dauer weniger angenehm. So sind wir nach einigen Tagen in die Berge (die sogenannten Western Ghats) weitergereist. Dort haben wir einen Tag im Nationalpark mit Sichtung von Bisons, Elefanten und allerlei Affen verbracht und unser touristisches Programm noch mit einem Elefantenritt (Fotos folgen...) und Besuchen auf Gewuerz- und Teeplantagen abgerundet.

Von Periyar gings gestern weiter in den suedwestlichsten Bundesstaat Kerala, der von seinem weitverzeigten Kanalsystem, den Backwaters - eine Art Riesenspreewald, nur mit Palmen - gepraegt ist. Statt auf einem Touri-Boot durch die Gegend zu schippern, haben wir uns fuer 20Cent auf eine Faehre gesetzt und sind 3 1/2 gemuetlich durch die romantischen Kanaele nach Allapuzzha getuckert. Hier haben wir heute einen Ruhe- und Strandtag eingelegt. Gleichzeitig war dies unser letzter gemeinsamer Reisetag. Morgen fahren Clara und Maria gen Sueden, wo sie am Mittwoch ein Flugzeug nach Mumbai/Bombay erwartet, waehrend ich mich gemuetlich auf den Weg nach Norden mache, um dann in ca. zwei Wochen in der groessten Stadt Asiens einzutreffen.

Samstag, 17. März 2007

From Dawn till Dusk - Unser Alltag

Einen sich gleichfoermig wiederholenden Alltag sollte es im Urlaub eigentlich nicht geben, schon gar nicht in Indien. Auch der abgewandelte Filmtitel ist (einmal mehr) eine etwas heroische Beschreibung dessen, was wir hier so den lieben langen Tag anstellen, einige Bemerkungen dazu sind nichtsdestoweniger sicher mal interessant.

Unser Tag beginnt meist so gegen 9 (es sei denn, es gilt Zug, Bus oder Flugzeug zu erwischen) mit einem ausgedehnten Fruehstueck. Dieses besteht in der Regel aus einem oder mehreren der Standardbausteine Sandwich/Toast, Omelett, Muesli und Pancake (Eierkuchen). Das wird schnell entsetzlich langweilig (obwohl man zu Hause, abgesehen vom geliebten Schwarzbrot, sicherlich nicht abwechslungsreicher fruehstueckt), aber indisches Fruehstueck in Form von Curry und Frittiertem ist direkt nach dem Aufstehen nunmal nicht jedermanns Sache.
Das Fruehstueck nimmt auch deswegen einen grossen Teil des Vormittags in Anspruch, weil dafuer bis auf wenige Ausnahmen schattige Gaerten oder Dachterrassen mit Blick ueber die Stadt zur Verfuegung standen - fuer allzu selten an frischer Luft speisende Mitteleuropaer schon ein halber Urlaub. Ab und zu kehren wir mittags fuer eine Zwischenmahlzeit ein, meistens begnuegen wir uns aber mit Keksen, Bananen und Orangen. Letztere uebrigens heissen zwar so, sind aber erstens gruen und zweitens Mandarinen. Vielseitiger laesst sich eine Imbissverpflegung fuer europaeische Maegen kaum gestalten. Zwar gibt es allerortens frisches Obst und Gemuese, das Angebot beschraenkt sich aber auf die bisher genannten und einige weitere Fruechte wie Papaya, Granataepfel, Weintrauben, Gurken und Tomaten. Ausserdem findet man zwar allerorten eine Unmenge an kleinen Lebensmittel- und Gemischtwarenlaeden, aber auch deren Angebot (Kekse, Chips) ist nicht gerade vielseitig. Die Inder nehmen fuer ihre heimischen Bedarf zwar ein etwas breiteres Angebot in Anspruch, aber im Vergleich zu einem europaeischen Supermarkt bleibt die Palette - gerade angesichts der prinzipiell vorhandenen Fuelle an Einkaufsmoeglichkeiten - sehr schmal. Die indische Kueche erweist sich dennoch als erstaunlich vielseitig, was aus der Kombination der diversen Gemuese untereinander, verschiedenen Zubereitungsmethoden und dem virtuosen Umgang mit Gewuerzen (insbesondere natuerlich Chilli und Pfeffer ...) resultiert. Dies geniessen wir dann in der Regel abends, wobei Maria und Clara bzw. ihre Maegen sich von Curry-Zubereitungen und der obligatorischen Schaerfe weniger begeistert zeigen als ich und daher gern stattdessen eine Portion Spaghetti oder Gemuesereis verdruecken. Ich bin des indischen Essens bisher nicht ueberdruessig geworden und habe es im grossen und ganzen auch gut vertragen, muss es allerdings ja auch noch drei Wochen laenger aushalten.

Die Tage bestehen teils aus der Besichtigung diverser Tempel, Palaeste oder anderer touristischer Programmpunkte, z.B. kuerzlich eine Besichtigungstour einer Teefabrik und eines Gewuerzgartens, zum groesseren Teil aber aus Ausruhen (inkl. Lesen, Essen, Reiseplanung ...) von den Besichtigungs- und Reisestrapazen. Einen erheblichen Teil der Reise verbringen wir naemlich in diversen Verkehrsmitteln, was zum einen den indischen Entfernungen und Reisegeschwindigkeiten, zum anderen unserem doch relativ straffen Programm geschuldet ist. Im Schnitt verbringen wir zwei Naechte an einem Ort, manchmal drei, manchmal nur eine. In der letzten Woche sind wir z.B. sehr viel Bus gefahren, dazu mehr im naechsten Eintrag. Nach 3 bis 4 Stunden auf indischen Strassen plus Wartezeit vorher und Quartiersuche nachher ist mit uns und dem Tag jedenfalls nicht mehr viel anzufangen.

Bei unseren Nachtquartieren handelt es sich in der Regel um kleine private Gaestehaeuser oder Hotels der unteren Mittelklasse. Von der Ausstattung bedeutet das auf indisch i.d.R. ein Zimmer, in dem drei Leute geradeso ihren wichtigsten Kram ausbreiten koennen, ohne sich auf die Fuesse zu treten und eine Badzelle, die gleichzeitig als Dusche fungiert, mit mal mehr, mal weniger zielgerichteten, durchgehenden bzw. warmen Wasserstrahl. Dazu gibts meistens Handtuecher, selten ein Stueck Seife und noch seltener Klopapier. Dieses wird von Indern quasi nicht benutzt (jeder male sich selber aus, wie stattdessen zu Werke gegangen wird, ebensowenig finden Taschentuecher oder beim Essen BesteckVerwendung) und kann als Luxusartikel gelten (eine duenne Rolle kostet ca. 60Cent, mithin ein halbes Tagesdurchschnittseinkommen). Manchmal sind die Zimmer etwas schmuddelig (insbesondere Bettwaesche und Handtuecher erfuellen ueberhaupt nicht unsere gewohnt-makellose Vorstellung von "frisch gewaschen"), in den groesseren Staedten fast immer etwas laut, aber alles in allem waren wir bisher ganz zufrieden. Dabei spielte auch eine Rolle, dass wir uns bisher stets auf die Empfehlungen unserer Reisebibel "Lonely Planet" verlassen haben. Das mag zwar eine Prise Abenteuer beim Ausprobieren unbekannter Hotels vermissen lassen und in den gewaehlten Etablissements findet man dann auch fast nur seinesgleichen (mit Lonely Planet in der Hand...) wieder, aber in einem Land, in dem man ohnehin haeufig genug das Unerwartete erwarten muss, tut ein bisschen Verlaesslichkeit und Bequemlichkeit schon gut. Bisher haben wir uebrigens immer entweder ein Dreibettzimmer oder eine zusaetzliche Matratze bekommen, so dass die Reisegesellschaft auch nachts nicht auseinandergerissen :-) und das Budget geschont wurde. Ausgebucht waren die Quartiere bisher fast nie, so dass wir nur selten telefonisch vorbestellen, so wie ueberhaupt sehr vieles oder sehr viele hier uns alles andere als ausgelastet vorkommen. Aber das ist ein anderes Thema. Vielleicht lasse ich mich in naechster Zeit nochmal zu diesen und anderen einem Volkswirt auffallenden Unterschieden zwischen Europa und einem Entwicklungsland aus.

Sonntag, 11. März 2007

Bildergalerie II

in der Rikscha
darunter in Fahrtrichtung

weitere Bilduntertitel gibt es nicht, da Google bei der Programmierung der Einbettung von Bildern in Blogs klaeglich versagt hat und einfach nichts, i.e. Text und Bilder sinnvoll mischen, klappt wie es soll. Zu sehen sind ein paar glueckliche Urlauber, einige Strassenszenen, eine Illustration der Begegnungen "Weltwunder Weisse Frau" und ein Bild aus einer beeindruckenden rajasthanischen Tanzdarbietung








Freitag, 9. März 2007

Bildergalerie I


Alltag in Delhi
Das Marmor-Mausoleum fuer irgendeinen Maharadscha...
Krishna behuete sie

die vollkommen entspannte Reisegesellschaft in einem Jain-Tempel






Erste Sonnenstrahlen auf dem Fort von Jaisalmer
auf Kamelsafari














Blick von der Hostel-Terrasse in Udaipur











Recht der Geburt

Die Gespraeche mit unserem Fahrer Shyam spiegelten einige typische kulturelle Unterschiede wider. Er war stets freundlich und zuvorkommend, sein Englisch ermoeglichte grundlegende Verstaendigung, fuehrte aber auch staednig zu Missverstaendnissen. Seine Standardphrasen waren "No problem" und "yes, yes". Diese kann ziemlich zermuerbend werden, wenn man versucht, seine Wuensche zu erklaeren und wiederholt das Gefuehl hat, nicht verstanden zu werden. Es befriedigt ebensowenig, diese Worte auf offene Fragen zu Kultur, Familie, Fahrzeit etc. zu hoeren ... Aber ein Inder tut normalerweise nie so, als haette er etwas nicht verstanden und fragt nach. Ebensowenig kam es fuer Shyam in Frage, zuzugeben, dass er (was offensichtlich war) im Auto uebernachtete. Bei aller Zuvorkommenheit wird ausserdem das eigene Geschaeft nie aus den Augen gelassen. Zwar betonte er immer wieder, wir seien die Chefs und unser Wohl laege ihm am Herzen, versuchte aber doch, uns zu den Hotels zu lotsen, wo er die Besitzer kennt (und so Provision kassiert) und stand schweigend daneben, als ein "guter Freund" von ihm versuchte, uns das Doppelte fuer eine Kamelsafari abzuknoepfen, was angemessen war. Shyam gab uns ebenfalls wertvolle Einblicke in das quasi immernoch bestehende Kastensystem und das Patriarchat. Er betonte bei jeder moeglichen Gelegenheit, dass er aus der angesehenen Kaste der Rajputen sei. Wenn z. B. einige Frauen in einem Dorf eine Strassensperre errichtet hatten, um uns Touris 30Cent Wegzoll abzuknoepfen, sagte er, dass seinesgleichen so etwas nie taete. Rajputen uebernehmen ohenhin bessere und verantwortlichere Taetigkeiten als Angehoerige niederer Kasten. Selbstverstaendlich wird nur innerhalb der Kaste geheiratet, obwohl seine Kinder natuerlich alle Freiheiten geniessen (Tenor: "Meine Soehne wissen von allein, wo sie angemessene Frauen finden"). Gute, funktionierende Ehen koennen quasi nur aus von den Eltern arrangierten Hochzeiten resultieren, denn wie solle man sonst sicher sein, dass der/die Partner/in angemessen ist und die Mitgift nicht zur finanziellen Ueberforderung fuehrt. Und schliesslich haben es die Rajputen-Frauen ganz toll im Leben, denn sie muessen gar nicht arbeiten, sondern koennen sich den ganzen Tag bei Hausarbeit und Kindererziehung entspannen (Zitat!)

Man ist schnell versucht, diese tief verwurzelten Einstellungen mit seinem westlichen Selbstverstaendnis von individueller Freiheit und Selbstbestimmung zu kritisieren, droht dabei aber schnell in einen gewissen Kultur- oder Werterimperialismus zu verfallen. Werte - hier also z.B. wirtschaftliches Ueberleben und Bewahrung von Tradition einerseits, Selbstbestimmung der Frau und des einer niederen Kaste Angehoerenden andererseits - kann man meist nur relativ zueinander bewerten. Das indische System funktioniert eben und weder Arme noch Reiche, Maenner noch Frauen waeren bereit, wahrscheinlich selbst nicht bei voellig zwangloser anonymer Befragung, es aufzugeben.

Donnerstag, 8. März 2007

Durchs wilde Rajasthan

Die letzten Tage sind wir wie angekuendigt mit dem Auto durch Rajasthan gekurvt. Rajasthan gehoert zu den bekanntesten (touristischen) Provinzen Indiens, was aber weniger bedeutet, dass man sich vor anderen "Weissen" nicht retten koennte (tatsaechlich sieht man selbst nach Tagen am anderen Ende der Provinz die selben Gesichter wieder!), als eher, dass hier eine Ansammlung bezaubernder Orte der Entdeckung der europaeisch-touristischen Sinne harrt. Die ehemalige Herrscherkaste Rajasthans, die Rajputen, waren einst stolze Krieger (sie stellen wohl heute noch einen Grossteil der indischen Armee). Sie widersetzten sich mehr oder weniger erfolgreich sowohl den quasi allmaechtigen Mogulkaisern (das sind die mit dem Taj Mahal und dem Hofstaat im Gruenen Gewoelbe ...) als auch den britischen Kolonisatoren. Rajasthan bestand aus mehreren Fuerstentuemern, in denen sich die Maharadschas natuerlich gegenseitig mit Festungs- und Palastbauwerken zu uebertrumpfen suchten. Inzwischen sind die Maharadschas zwar "normale" Staatsbuerger, tun sich aber, zumindest wenn man ihren eigenen (in den nun zugaenglichen Palaesten aus allen Richtungen toenenden) Aussagen glauben darf, als Wohltaeter und Stifter hervor. Woraus zu folgen ist, dass sie ihr wie auch immer im Laufe der Jahrhunderte angehaeuftes Vermoegen nach ihrere Entmachtung behalten durften. Und selbstverstaendlich waren und sind sie alle sehr gerechte und vom Volk geliebte Herrscher. Naja, sei's drum.

Unsere Kurz-Rundreise begann in Jodhpur, dessen Stadtbild von einer beeindruckenden Rajputen-Festung beherrscht wird (Fotos kommen irgendwann auch mal wieder, aber es ist gar nicht so einfach, ein Internet-Cafe mit der entsprechenden technsichen Ausstattung zu annehmbaren Konditionen zu finden). Von dort ging es nach Jaisalmer - eine Stadt aus Tausendundeiner Nacht. Mitten in der Wueste Thar thront auf einem Huegel wie gemalt ein massiver, noch bewohnter Festungsbezirk aus dem Mittelalter. In der neueren Stadt finden sich Buergerhaeuser (Havelis genannt), die von in gelben Sandstein geschnitzte Verzierungen und Ornamenten ueberborden und Dresdner Sandsteinbauwerke arg grobschlaechtig wirken lassen. Ihren Reichtum verdankte Jaisalmer der exponierten Lage an der Karawanenroute von Indien nach Mittelasien. Nach einer obligatorischen Kamel-Sonnenuntergang-ueber-Sandduenen-Safari haben wir uns auf den Weg nach Udaipur in den Sueden Rajasthans gemacht, was erneut einen voelligen Kontrast bedeutete. Udaipur verstroemt einen Hauch von Venedig (obwohl ich da noch gar nicht war ...) oder vielleicht eher Lago Maggiore - eingebettet in eine Huegellandschaft, romantisch an den Ufern mehrerer Seen gelegen, die allerdings nicht mehr die saubersten sind, auch sonst der zweifelhafte Charme etwas verblichenen Glanzes. Auf dem Weg haben wir noch eine Nacht in einem abgelegenen und trotz Trockenzeit plus langjaehriger Trockenheit erstaunlich gruenen Tal verbracht. Wie wir erstaunt feststellten, war dies unsere erste Nacht ausserhalb von groesseren Staedten, die uns auch (zumindest geistig) entsprechend gut getan hat.

Nach zwei halben und einem (fast) ganzen Tag im Auto haben wir davon jetzt auch erst einmal wieder genug. Zu den schon erfolgten Schilderungen zum hiesigen Verkehrswesen gibt es nicht mehr so viel hinzuzufuegen. Die Strassenqualitaet ausserhalb der Ortschaften ist gar nicht mal so schlecht, allerdings laesst der asphaltierte Teil der Strasse haeufig nur einem (zweiachsigen) Fahrzeug Platz, so dass bei Gegenverkehr in Sand und Schotter ausgewichen werden muss. Ausserdem muss man jederzeit mit einem halbmetertiefen Schlagloch oder einer gemaechlich ueber die Strasse trottenden Kuh rechnen. Offiziell soll es zwar kein Tempolimit geben (meinte Shyam, unser Fahrer), Kontrollen schon gar nicht, aber die beschriebenen Restriktionen haben ein selbstgesetztes natuerliches Tempolimit von 80km/h zur Folge. Die tatsaechliche Reisegschwindigkeit ist natuerlich viel geringer, da in besiedelten Gegenden ja wieder das Gleichberechtigungsprinzip aller Verkehrsteilnehmer gilt (=Slalom um Menschen, Tiere und Fahrradfahrer) sowie dem Ruecksicht-ist-unnoetiger-Luxus-Prinzip folgend LKWs oder Bussen hinter ihnen fahrende und unverschaemterweise Ueberholen wollende Autos herzlich egal sind. Stoerend ist das nicht wirklich, schliesslich waere es unter den hiesigen Umstaenden wirklich zu viel verlangt und ein Zeichen von Arroganz, Sonderrechte auf der Strasse einzufordern, wenn man durch sein quasi europaeischen Standards genuegendes Verkehrsmittel ohnehin schon genuegend Privilegien geniesst und beim Durchfahren der Ortschaften zwangslaeufig zur Schau stellt. Insgesamt haben wir paradoxerweise gerade durch diese Privilegierung wahrscheinlich mehr vom Land gesehen als dies in Nachtzuegen oder ueberfuellten Bussen moeglich gewesen waere, auch wenn wir nicht wirklich in das indische Landleben eingetaucht sind.

Samstag, 3. März 2007

Im Indien-Express

Die ausladenden interkulturellen Reflexionen sollen heute auch mal mit ein paar Fakten gewuerzt werden. Aber davor gehoert eine Einfuehrung in die Geheimnisse der indischen Eisenbahn, die hier das guenstigste Verkehrsmittel darstellt, um mittlere Entfernungen zurueckzulegen. Das Netz gehoert zu den ausgedehntesten der Welt (noch ein paar Superlative fuer die Fans von "nutzlosem Wissen": Indian Railways ist mit 1,6Mio Angestellten auch der weltgroesste Arbeitgeber und transportiert jaehrlich 6 Milliarden Passagiere!), woran man sieht, dass die englischen Herrscher ihre Kolonisation auch in dieser Hinsicht durchaus ernst genommen haben. Natuerlich ist das Netz hoffnungslos ueberaltert und ueberlastet, die Zuege fahren bis auf wenige Ausnahmen nicht schneller als ein Bus (also um die 50-60km/h...), aber das Reisen ist bequemer und sicherer und man kann oder muss zum Teil vorher reservieren (was sogar funktioniert!).
Das ganze System erscheint ziemlich undurchsichtig, es gibt um die 10 verschiedene Klassen, die sich u.a. durch Klimatisierung/ohne Klim. oder Reservierungspflicht/ohne Res. unterscheiden. Natuerlich gibt es nicht alle Klassen in allen Zuegen und fuer alle bsondere Abkuerzungen. Waere ja sonst auch zu einfach. Darueber hinaus hat jeder Zug noch eine Bezeichnung, einen Namen und eine Nummer, die anscheinend willkuerlich vergeben werden, aber fuer die Durchfuehrung einer Reservierung natuerlich alle drei essentiell sind.

Guenstige Tickets sind angeblich haeufig auf Wochen vorher ausgebucht, bei Preisen von 1,50 EUR fuer 1000km auch kein Wunder. Allerdings reist man dafuer dann auch in einem Wagen, der in Besetzungsdichte, Bequemlichkeit und Geruchsbelastung am ehesten einer Legebatterie gleicht. Wir wollten uns zumindest Minimalkomfort goennen (gerade fuer Uebernachtfahrten) und entschieden und fuer eine niedrige Unterklasse der ersten Klasse, die mind. 10mal so viel kostet, was ja immernoch nicht die Welt fuer uns ist.

Nach erfolgreicher Auswahl eines Wunsch-Zuges wartet der naechste Schock am Bahnhof. Diese gleichen einem Huehenerstall, Schlangen vor den Schaltern gibt es zu praktisch allen Tageszeiten. Wir profitieren jedoch von speziellen Touristenschaltern und -kontingenten - zumindest wenn man sich an den zahlreichen hilfsbereiten Indern, die einem zum anderen Ende des Bahnhofs lotsen will, vorbeigekaempft bzw. dem etwas unwirsch-buerokratischen Angestellten anhand des natuerlich fehlerhaft ausgefuellten Reservierungsantrags sein Anliegen begreiflich gemacht hat. Wir sind schliesslich am Dienstagmorgen (27.2.) in einem Super-Express (zwischenzeitlich schwindlige 140km/h) von Delhi nach Agra gefahren, der praktisch nur von Geschaeftsleuten und Touristen benutzt wird und deutschem 2.-Klasse-Standard entsprach - wie beim Fliegen sogar inklusive Verpflegung und zudem puenktlich!

Von Agra sollte es dann am Mittwochabend (28.2.) im Nachtzug gen Westen nach Jodhpur in der Provinz Rajasthan gehen. Planmaessige Abfahrt war 19:30, am Bahnhof gruesste uns aber schon eine Meldung "5h Verspaetung" von der Anzeigetafel. Nun gibt es angenehmeres, als 5h bis nachts um 1 auf dem Bahnhof zu warten, in Europa gaebe es wahrscheinlich einen Volksaufstand oder zumindest eine Beschwerdeflut. Hier stoert sich daran niemand. Was bedeutet schon Zeit? Was nicht heute wird, wird morgen. Wir hatten ja nun auch keine dringenden Termine zu verpassen, so dass wir die Wartezeit ueber das diffuse Gefuehl des Ordnung gewohnten Zivilisationsverwoehnten "Das koennen die doch nicht machen" hinaus stoisch ertragen haben. Wir hatten sogar Sitzplaetze im 1.Klasse-Warteraum, die meisten Mitpassagiere sassen und lagen kreuz und quer. Die Bahnhofshalle verwandelte sich spaeter in einen Schlafsaal. Aus 5h wurden schliesslich 9h - angesagt per zermuerbender Salamitaktik (immer 1/2h mehr...) Immerhin gab es fur uns diese Ansagen. Als Passagier im Zug kann man hingegen nur schauen und hoffen, ob man doch noch irgendwann ankommt oder der Zug vielleicht nach Sibirien umgeleitet wurde. So ging es uns dann auch, als wir uns im Morgengrauen endlich in Fahrt gesetzt hatten. Es blieb schliesslich bei der Verspaetung und wir landeten 11 weitere Stunden spaeter heil in Jodhpur. Schlafen konnte man im Zug am Ende sogar ganz gut, zumindest habe ich schlimmere Nachtfahrten in Erinnerung.

In Jodhpur sind wir nun drei Tage geblieben. Erstens hatten wir uns auf unserer Touristenroute durch Nordindien eine Verschnaupause verdient, zweitens ist es eine reizende Stadt mit einer imposanten Festung inkl. Maharadscha-Palast und drittens haben wir das bisher in Sachen Charakter, Sauberkeit und Service angenehmste Hotel erwischt. Leider sind wir alle gesundheitlich nicht ganz auf der Hoehe. Clara und Maria plagen die ueblichen Verdaueungsprobleme (allerdings nicht in beaengstigender Form), ich habe mir irgendwo zwischen offener Rikscha und allgegenwaertigen Ventilatoren eine heftige Erkaeltung eingefangen. Aber das wird schon wieder.

Morgen gehts dann weiter. Da Zugfahren in Rajasthan noch etwas langsamer und abenteuerlicher als in Indien ohnehin schon ist, haben wir uns ein Auto mit Fahrer gemietet, der uns die naechsten 4 Tage begleitet. Das klingt ziemlich dekadent, lohnt sich aber bei drei Leuten fast schon finanziell, auf jeden Fall aber organisatorisch. Im Rahmen unseres fuer indische Verhaeltnise doch arg begrenzten Zeitbudgets ermoeglicht es (hoffentlich) etwas zuverlaessigeres Reisen und einige individuelle Stops zwischen den grossen Staedten.

Donnerstag, 1. März 2007

Das Leben der Anderen

Dass zwischen Indien und Europa kulturelle Welten liegen, ist keine besonders originelle Feststellung. Aber diese Unterschiede selbst zu erleben, ist doch noch einmal etwas ganz anderes. Von solchen plakativen Dingen wie scharfem Essen und bunten Saris abgesehen, hat uns anfangs wie schon beschrieben das etwas unverbindliche Verhaeltnis zwischen Wort und Tat mit Kopfschuetteln erfuellt. Ebenfalls auffaellig ist der - selbst im Vergleich zu uns in dieser Hinsicht schon nicht gerade zimperlichen Deutschen (im Vergleich mit den Franzosen z.B.) - Mangel an Ruecksicht und Intimdistanz. Vielleicht haengt das damit zusammen, dass Ellbogen fuer das Ueberleben in einer Grossstadt der Dritten Welt notwendig sind bzw. sich in Indien einfach unglaublich viele Menschen auf einen Haufen finden. Nur erklaert das noch nicht die Lautstaerke, mit der die Inder sich gleichzeitig staendig bemerkbar machen. Man wird jedenfalls nach feinster Berliner-U-Bahn-Manier ueberall angeschubst und gestossen. Wenn man am Bahnhofsschalter der Verkaeuferin gegenuebersitzt, freundlich laechelt und geduldig wartet, dass sie von ihrer gerade ausgefuehrten Geldzaehltaetigkeit aufblickt, kann man sicher sein, dass sich nach einigen Sekunden jemand an einem vorbei draengelt (obwohl offensichtlich ist, dass man selbst nicht zum Spass da am Schalter steht), die Dame laut anspricht und auch prompt bedient wird. Ebenso unvorstellbar waere bei uns folgende Szene: Gegen Mitternacht befinden sich etwa 20 Menschen, zur Haelfte doesend, zur Haelfte schlafend, in einem Bahhnhofs-Wartesaal. Fuenf Maenner betreten laermend den Raum, machen es sich auf Zeitungen auf dem Fussboden bequem und beginnen, untermalt von regelmaessigen Lachanfaellen und Hintergrundmusik, Karten zu spielen. So gehoeren geistig eine gewisse Gleichgueltigkeit und koerperlich ein Paar Ohrstoepsel zur Grundausstattung. Ob im Hotel, auf der Strasse oder im Zug, ob tags oder nachts - mit Ruhe und Ruecksichtnahme kann man einfach nie rechnen, muss sich andererseits natuerlich auch selbst darum nicht scheren.

Die Reizueberflutung aus Laerm, unfreiwilligen Koerper- und Gespraechskontakten und staendigen Menschenmassen, allerlei Geruechen und Dreck machen den Aufenthalt in der indischen Grossstadt ein zu einem zweifelhaften Vergnuegen. Andererseits faszinieren am indischen Leben auch gerade Lebendigkeit, Vielfalt, Farbenfreude und die ausserordentliche Selbstorganisationsfaehigkeit dieses Chaos. Vieles laesst sich mit einem Laecheln auf dem Lippen ertragen - gerade, wenn man nicht dringend irgendelche Termine einzuhalten hat oder sich fragen muss, wie man wohl sein Abendessen bezahlen kann.

Zumindest zweiteres ist der Alltag fuer die meisten Inder, von dem wir zugegebenermassen kaum etwas mitbekommen. Wir hangeln und von einer Lonely-Planet-Location zur naechsten, wohnen und essen also an Plaetzen, die fast ausschliesslich von Touristen bevoelkert werden. Ich wuerde unser Leben zwar nicht gerade als dekadent bezeichnen - die Unterkuenfte sind eher untere Kategorie und wir bewegen uns mit gaengigen Verkehrsmitteln in sehr indischen Vierteln fort (Stichwort: Motor-Rikscha).Wenn man aber auf der sonnigen Dachterrasse sitzt und fuer umgerechnet 1 EUR das touristengerecht gewuezte Curry verdrueckt oder einen Kaffee fuer 30Cent schluerft, scheint das Leben der Anderen, der pulsierende indische Alltag auf der unter einem liegenden Strasse, wo unsere gerade getaetige Ausgabe einem Tagesverdienst entspricht, doch Welten entfernt. Von dem eigentlichen indischen Alltag in den Slums und auf dem Lande ganz zu schweigen. Tiefer in diesen Alltag einzutauchen, waere vielleicht authentischer, sicherlich auch preiswerter, scheint uns aber fuer unsere zivilisatorischen Ansprueche an Sicherheit, Hygiene und Verdauung einfach zu unsicher.

Ein letztes zu den Unterschieden zwischen Indern und Europaeern: Die Hautfarbe. Klingt auch nicht so originell. Dieser Unterschied ermoeglicht, verstaerkt durch das meist ebenso unverwechselbare Aeussere, eine sofortige Identifizierung der Herkunft. Trotz der zahlreichen vorhandenen Budget-Unterkuenfte und Lonely-Planet-Touristen sind wir Weisse hier in einer angenehmen Minderheit. Selbst an Touristenatrraktionen, inden Strassen sowieso, sind wir echte Exoten und werden mitunter angestarrt, als waren wir die ersten Weissen, die zu einem entfernten Stamm in Papua Neuguinea vorstossen. Gleichzeitig scheinen wir, also ich meine natuerlich meine beiden reizenden Mitreisenden, mit der hellen Haut dem hiesigen Schoenheitsideal zu entsprechen.(wir sehen das kurioserweise genau unmgekehrt ...) Das muendete schon in Dutzenden Fototerminen mit Indern jeden Alters, fuer die es kaum ein triumphaleres Urlaubsmitbringsel als eine entsprechende Fotografie zu geben scheint. Waehrend dies irgendwie ganz witzig ist, kann es umgekehrt ziemlich belasten, wenn man im Vorhof einer Moschee von allen Seiten angestarrt und diskriminierend behandelt wird. Als gaebe es keine weissen Muslime...