Freitag, 30. März 2007

Robert - allein in Goa

Nach vier Wochen klassischem Herumgereise bin ich am vergangenen Montag in Goa eingetroffen, vielleicht der Inbegriff des indischen Strand- und Partyparadieses, das ich einfach als das indische Mallorca bezeichnen wuerde. Abgesehen von einigen typischen organisatorisch-zivilisatorischen Unzulaenglichkeiten und der Mehrzahl der Bewohner scheint Goa mit Indien nicht viel zu tun zu haben. Zum einen war es bis 1961 portugiesische Kolonie (dann hat es die indische Armee besetzt - aber weder im fernen Lissabon noch vor Ort hat das wirklich jemanden interessiert), so dass es einige kulturelle Ueberbleibsel gibt, so z.B. Old Goa mit drei, vier grossen Kirchen und einem Dutzen Kirchruinen dazu, die zwischen einer klassischen indischen Kleinstadt mit Blechhuetten und Marktstaenden etwas fremd wirken, oder eine niedrige Steuer auf Alkohol. Zum anderen sind die Traumstraende touristisch inzwischen durchgehend erschlossen - zum Teil mit Ballermann-Partyparadiesen, zum Teil mit riesigen Club-Med-Resorts.

Ich habe mir ein insgesamt noch nettes und nicht besonders ueberlaufenes Fleckchen namens Colva herausgesucht. Hierhin verschlaegt es vor allem indische Familien und klassische Pauschaltouristen aus Grossbritannien und Russland, die tagsueber die Strandliegen und abends die Hotelbar belagern. Entsprechend komme ich mir etwas fremd und mit meinen enormen vier Wochen Indienerfahrung (...) sowie dem LP-Survival Guide in der Hinterhand gleichzeitig irgendwie distingiert vor. Das wurde auch schon am Flughafen deutlich, wo ich als einziger aus einer Maschine voller indischer und nichtindischer Touristen selbstverstaendlich in den oertlichen Bus stieg, um an meinen Zielort zu gelangen - nach den routinemaessigen Maehrfacherkundigungen und mit dem ueblichen Stueck Restunsicherheit behaftet, ob ich denn wohl im richtigen gelandet sei. Mit dem Bus kommt man hier uebrigens wunderbar voran. Sie sind zwar wie immer uralte Gefaerte und man weiss nie vorher, ob man nun wirklich im richtigen sitzt, aber sie fahren, auch im Vergleich mit einer vergleichbaren mitteleuropaeischen Gegend, dermassen oft und zahlreich, dass man relativ zuverlaessig vorankommt.

Fuer vier Tage Ausspannen finde ich es hier jedenfalls ganz Klasse. Das Klima ist ertraeglich (Temperatur perfekte 30Grad, Luftfeuchte unangenehm, aber am Strand mit Lueftchen oder im Restaurant mit Ventilator gut auszuhalten) und das Hotel, was ich mir goenne, gute indische Mittelklasse mit Pool. Ich esse jeden Abend Seafood mit Blick aufs Meer (wo sonst bekommt man Riesengarnelen so frisch und guenstig?), trinke ein kuehles Bier dazu, bekomme die Suedfruechte quasi direkt vom Baum gepflueckt und schluerfe gern mal eine frisch angeschnittene Kokosnuss aus (Maria&Clara: das schmeckt ueberhaupt nicht nach typisch Kokos, das Fruchtfleisch auch nicht, wahrscheinlich machts erst die etwas angetrocknete Mischung). Die letzten Tage waren nun die ersten des Urlaubs, an denen ich quasi inaktiv war, also nicht herumgereist bin oder irgendein touristisches Programm absolviert habe.

Mit dem gefuehlten Nichtstun - schattige Liege am Pool mit ausreichend Literatur dabei hin oder her - reicht es mir aber auch schon wieder. Erstens kann ich mir grundsaetzlich nicht vorstellen, meinen ganzen Urlaub so zu verbringen wie die meisten mich Umgebenden hier und zweitens habe ich das Gefuehl, die wenigen Wochen, die mir in Indien bleiben, intensiver nutzen zu muessen. Rumliegen kann ich ja auch zu Hause, oder zumindest in Mallorca. Also gehts morgen weiter nach Mumbai, wo ich mich auf die wohlpraeparierten Spuren (Danke!) von Maria und Clara begeben werde.

Von verschiedener Seite kam die Frage auf, ob ich mich allein in diesem grossen Land nicht schrecklich einsam fuehlte. Der Tag nach der Abreise der Maedels war schon etwas seltsam - ploetzlich im Hotelzimmer allein aufzuwachen oder abends keine zwei weiteren Essen probieren zu konnen :-( Die dreieinhalb gemeinsamen Wochen schienen ploetzlich so weit weg. Fuer mich begann die Reise quasi von vorn. Dennoch fuehlte ich mich schnell wieder, wenn auch auf andere Art, pudelwohl. Erstens bin ich ja von jeher ein Typ, der nicht staendig Gesellschaft um sich braucht, der auch gern einfach mal fuer sich ist, um ueber Gott und die Welt nachzugruebeln. Sicher zu wissen (sicher in Indien?, naja, zumindest glaube ich dran), dass es fuer eine beschraenkte Zeit ist, machts noch leichter und laesst es mich geradezu geniessen. Zweitens ermoeglicht das Alleinsein mehr Unabhaengigkeit. Nicht, dass ich mich vorher eingeengt gefuhlt haette, aber es ist eben doch was anderes, wenn man allein entscheiden kann - da ich bisher nicht Shoppen war, habe ich die negativen Seiten des Alleinentscheidens noch nicht gespuert... Drittens fuehle ich mich irgendwie mehr wirklich in Indien als vorher, weil mir sozusagen der staendige kulturelle Kontakt zur Heimat in Form zweier reizender Reisebegleiterinnen abhanden gekommen ist und man beim Warten auf Busse, das Essen oder Herumfahren etc. allein mehr in sich ruht und einfach nur die Umgebung beobachtet als in einer Gruppe. Sicherlich spielt dabei aber auch eine Rolle, dass man nach ueber vier Wochen ohnhin in vielem ruhiger wird und einem das indische Leben langsam vertraut vorkommt. Zum vierten bin ich selten wirklich allein (am ehesten noch hier, weil ich keine besondere Lust habe, mit den Touris anzubaendeln). Der telefonische&elektronische Kontakt zur Allerliebsten (und den Naechst-Allerliebsten) hilft mir sehr dabei, mich ueberhaupt nicht einsam zu fuehlen. Viel haerter als allein zu reisen waere es wohl, nach Hause zurueckzukehren und dort allein zu sein. Und schliesslich finden sich regelmaessig Gelegenheiten, fuer ein paar Minuten oder auch laengere Zeit mit anderen Travellern ins Gespraech zu kommen. In Ooty habe ich beispielsweise einen Tag mit vier netten Briten verbracht und mit einem auch das Zimmer geteilt. Kurzum, niemand muss sich Sorgen darum machen, dass ich vereinsame oder meine sprachlichen Faehigkeiten schrittweise verkuemmern.

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