Donnerstag, 8. März 2007

Durchs wilde Rajasthan

Die letzten Tage sind wir wie angekuendigt mit dem Auto durch Rajasthan gekurvt. Rajasthan gehoert zu den bekanntesten (touristischen) Provinzen Indiens, was aber weniger bedeutet, dass man sich vor anderen "Weissen" nicht retten koennte (tatsaechlich sieht man selbst nach Tagen am anderen Ende der Provinz die selben Gesichter wieder!), als eher, dass hier eine Ansammlung bezaubernder Orte der Entdeckung der europaeisch-touristischen Sinne harrt. Die ehemalige Herrscherkaste Rajasthans, die Rajputen, waren einst stolze Krieger (sie stellen wohl heute noch einen Grossteil der indischen Armee). Sie widersetzten sich mehr oder weniger erfolgreich sowohl den quasi allmaechtigen Mogulkaisern (das sind die mit dem Taj Mahal und dem Hofstaat im Gruenen Gewoelbe ...) als auch den britischen Kolonisatoren. Rajasthan bestand aus mehreren Fuerstentuemern, in denen sich die Maharadschas natuerlich gegenseitig mit Festungs- und Palastbauwerken zu uebertrumpfen suchten. Inzwischen sind die Maharadschas zwar "normale" Staatsbuerger, tun sich aber, zumindest wenn man ihren eigenen (in den nun zugaenglichen Palaesten aus allen Richtungen toenenden) Aussagen glauben darf, als Wohltaeter und Stifter hervor. Woraus zu folgen ist, dass sie ihr wie auch immer im Laufe der Jahrhunderte angehaeuftes Vermoegen nach ihrere Entmachtung behalten durften. Und selbstverstaendlich waren und sind sie alle sehr gerechte und vom Volk geliebte Herrscher. Naja, sei's drum.

Unsere Kurz-Rundreise begann in Jodhpur, dessen Stadtbild von einer beeindruckenden Rajputen-Festung beherrscht wird (Fotos kommen irgendwann auch mal wieder, aber es ist gar nicht so einfach, ein Internet-Cafe mit der entsprechenden technsichen Ausstattung zu annehmbaren Konditionen zu finden). Von dort ging es nach Jaisalmer - eine Stadt aus Tausendundeiner Nacht. Mitten in der Wueste Thar thront auf einem Huegel wie gemalt ein massiver, noch bewohnter Festungsbezirk aus dem Mittelalter. In der neueren Stadt finden sich Buergerhaeuser (Havelis genannt), die von in gelben Sandstein geschnitzte Verzierungen und Ornamenten ueberborden und Dresdner Sandsteinbauwerke arg grobschlaechtig wirken lassen. Ihren Reichtum verdankte Jaisalmer der exponierten Lage an der Karawanenroute von Indien nach Mittelasien. Nach einer obligatorischen Kamel-Sonnenuntergang-ueber-Sandduenen-Safari haben wir uns auf den Weg nach Udaipur in den Sueden Rajasthans gemacht, was erneut einen voelligen Kontrast bedeutete. Udaipur verstroemt einen Hauch von Venedig (obwohl ich da noch gar nicht war ...) oder vielleicht eher Lago Maggiore - eingebettet in eine Huegellandschaft, romantisch an den Ufern mehrerer Seen gelegen, die allerdings nicht mehr die saubersten sind, auch sonst der zweifelhafte Charme etwas verblichenen Glanzes. Auf dem Weg haben wir noch eine Nacht in einem abgelegenen und trotz Trockenzeit plus langjaehriger Trockenheit erstaunlich gruenen Tal verbracht. Wie wir erstaunt feststellten, war dies unsere erste Nacht ausserhalb von groesseren Staedten, die uns auch (zumindest geistig) entsprechend gut getan hat.

Nach zwei halben und einem (fast) ganzen Tag im Auto haben wir davon jetzt auch erst einmal wieder genug. Zu den schon erfolgten Schilderungen zum hiesigen Verkehrswesen gibt es nicht mehr so viel hinzuzufuegen. Die Strassenqualitaet ausserhalb der Ortschaften ist gar nicht mal so schlecht, allerdings laesst der asphaltierte Teil der Strasse haeufig nur einem (zweiachsigen) Fahrzeug Platz, so dass bei Gegenverkehr in Sand und Schotter ausgewichen werden muss. Ausserdem muss man jederzeit mit einem halbmetertiefen Schlagloch oder einer gemaechlich ueber die Strasse trottenden Kuh rechnen. Offiziell soll es zwar kein Tempolimit geben (meinte Shyam, unser Fahrer), Kontrollen schon gar nicht, aber die beschriebenen Restriktionen haben ein selbstgesetztes natuerliches Tempolimit von 80km/h zur Folge. Die tatsaechliche Reisegschwindigkeit ist natuerlich viel geringer, da in besiedelten Gegenden ja wieder das Gleichberechtigungsprinzip aller Verkehrsteilnehmer gilt (=Slalom um Menschen, Tiere und Fahrradfahrer) sowie dem Ruecksicht-ist-unnoetiger-Luxus-Prinzip folgend LKWs oder Bussen hinter ihnen fahrende und unverschaemterweise Ueberholen wollende Autos herzlich egal sind. Stoerend ist das nicht wirklich, schliesslich waere es unter den hiesigen Umstaenden wirklich zu viel verlangt und ein Zeichen von Arroganz, Sonderrechte auf der Strasse einzufordern, wenn man durch sein quasi europaeischen Standards genuegendes Verkehrsmittel ohnehin schon genuegend Privilegien geniesst und beim Durchfahren der Ortschaften zwangslaeufig zur Schau stellt. Insgesamt haben wir paradoxerweise gerade durch diese Privilegierung wahrscheinlich mehr vom Land gesehen als dies in Nachtzuegen oder ueberfuellten Bussen moeglich gewesen waere, auch wenn wir nicht wirklich in das indische Landleben eingetaucht sind.

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